Newport, England (Februar 2009)

Zwei Wochen Weiterbildung in England sollten diesen Februar auch in irgendeiner Form dem OL zugutekommen. Dachte ich mir zumindest…

Im Vorfeld habe ich also lange Abende im Netz zugebracht, um mögliche Wettkämpfe auszuloten, die in erreichbarer Nähe zu erreichbarer Zeit stattfanden. Der erste Eindruck war gar nicht so schlecht: Seit kurzem gab es auf der Seite British Orienteering eine neue, vereinheitlichte Datenbank mit allen Wettkämpfen, was sich bequem nach Region, Zugänglichkeit, Kinder- und Hundefreundlichkeit usw. durchforsten ließ.
Letztlich schien nur ein Lauf sinnvoll: der 3. Lauf zur „Western Night League“ rund um den „Painswick Beacon“, einen Aussichtshügel 5 km vor den Toren von Gloucester, wo ich wohnte. Freitag, 18 Uhr, sollte es losgehen, da ist’s im Februar ja schon sicher dunkel. Über den regionalen OL-Club hatte ich mir bereits eine Mitfahrgelegenheit organisierte. Es hätte also prima werden können.

Mein Aufenthalt im Mutterland war aber dem Wetter nach ein völliger Griff daneben: Nicht nur, dass ich aufgrund von 2 cm Schnee im Land erst einen Tag später als geplant überhaupt anreisen konnte, auch waren der Verkehr, das Schulsystem und letztlich auch Breitensportveranstaltungen von wenig Schnee völlig überfordert. So kam es also auch zur kurzfristigen Absage des von mir ausgesuchten Laufes, worüber mich meine Mitfahrgelegenheit freundlicherweise am Vortag informierte.

Was schon wie das Ende aller Träume schien, wurde kurzfristig dadurch aufgelockert, dass ich in der Tourist Info von Oxford für je 1 Pfund zwei OL-Karten mit Permanent-Bahnen in der Umgebung erstand. Dauerhaft ‚installierte‘ Bahnen ist in Großbritannien generell beliebt: Fast jeder Verein, der etwas auf sich hält, hat – oft in Kooperation mit den Kommunen – eine oder mehrere permanent belaufbare Bahnen im Angebot. Die Posten (sicher aber nichts elektronisches) werden von der Kommune gewartet und eine Karte bekommt man per mail von dem Verein oder eben – wie in meinem Falle – im Informationszentrum des nächstgelegenen Ortes. Nun, für die Umgebung von Oxford hatte ich leider an dem Tag keine Zeit, und die Zeit lief so langsam davon.

Während meine Gastfamilie im TV eine Koch-Show nach der anderen konsumierte, saß ich daneben mit dem Laptop und suchte im Netz nach noch möglichen Optionen. Nach Prüfung der relevanten Zugverbindungen stellte ich dabei fest, dass ich es auch schaffen könnte, Mittwoch Abend nach Newport zu fahren. Ich hatte zwar bis 4 Uhr nachmittags Programm, es war aber möglich, um sechs da zu sein. Ich hatte auch gehört, dass die Eisenbahnlinie nördlich des Fluss Severn in Richtung Wales, die ich dann befahren würde, landschaftlich sehr schön sein sollte, was meinen Entschluss beförderte und was ich bei abendlicher Sonne auch aufs Beste bestätigt fand.

Karte

Nun nur noch den beschriebenen Parkplatz in der Nähe des Bahnhofes finden, das sollte kein Problem sein, SW-Ecke des Stadthauses, alles easy … Irgendwie traf da aber niemand ein! SW-Ecke, ohne Kompass, na gut. Allgemeines Orientieren muss man ja auch mal wieder üben. Nach einer Runde um das Stadthaus, wo ich schon mal einen Eindruck über das sehr steile Terrain der Stadt erhielt, fand ich dann den Treffpunkt. Der Parkplatz war fast leer, es war dunkel, kein Mensch zu sehen. Nach einer Weile sah ich, dass im Heckfenster eines der wenigen Autos ein kleines OL-Symbol klebte. Und drinnen saß ein älterer Herr. Aaaha! Mal so hingeschlendert und freundlich nachgefragt, ob er auch auf den Event wartet. „Actual I’m the organizer…“ antwortete er hinter der heruntergelassenen Scheibe.

Dann ging es schnell, innerhalb von 10 Minuten trudelten ca. 20 Leute mit Autos ein, fix umziehen, den Rucksack in den Kofferraum des netten Organizers, Kartenausgabe und dann ging’s schon los. 1h-Score in den Straßen von Newport, die „Posten“ mit unterschiedlicher Wertigkeit waren Hydrantenschilder, von denen man die Nummer auf der Kontrollkarte vermerken musste.

Zunächst lief ich ohne genauere Ideen zum nächstgelegenen Posten, und so nach und nach entwickelte sich eine Idee, wohin man denn so laufen will. Spätestens nach dem dritten Posten sah ich keine anderen Läufer mehr, dafür hatte ich mehrfach einen fantastischen Blick von den am Berg gelegenen nordwestlichen Randbezirken auf die nächtliche Hafenstadt.

Der große Vorteil des Street-O ist freilich, dass man beim Laufen bequem auf die Karte gucken kann, ohne befürchten zu müssen, auf ein Wildschwein zu treten oder über eine Wurzel zu stolpern. Also alles paletti, schön die teuren Punkte abgekurvt und dann zum Start/Ziel eingebogen. Super Gefühl, Posten finden ist ja dabei nicht sooo das Problem … In der wenige Tage später rumgeschickten Ergebnisliste fand ich mich dann doch eher am Ende wieder, hmm, die Einheimischen rannten halt die Hügel doch etwas schneller hoch und runter als ich das mit dem touristischen Blick getan habe (prima Ausrede, gell?) … Eine genauere Planung der Route wäre sicher auch von Vorteil gewesen, so hätte ich die preiswerten Posten am Anfang sicher besser weglassen sollen. Wenn man aber erst nach gut der Hälfte der Strecke realisiert, das auf der Rückseite der Postenbeschreibung die Wertigkeit steht, nun ja…

Egal, der Höhepunkt kam aber trotzdem noch: Gemeinsame Einkehr im „Pub of the Night“, (der natürlich auch bereits auf der Lauf-Karte eingetragen war), flunkern über Rugby (statt Fußball), Bier trinken usw.

Um halb elf fuhr mein Zug zurück nach Gloucester, schade…

Autor: Sven Thiermann