Zu dritt, Anne Kästner (TV Oberbexbach), Mama (Sibylle) und ich (Livia) haben uns auf in Richtung Calí begeben, wo in dem nahe gelegenem Dorf „Pavas“ die Kolumbianischen Orientierungslauf Meisterschaften stattfinden sollten. Wir waren vorher schon ein paar Tage gemeinsam unterwegs und wollten von der Kaffeezone aus mit Bussen nach Pavas fahren. Nach der wahrscheinlich abenteuerlichsten und kompliziertesten Anfahrt zu einem OL sind wir Donnerstagabend gut in unserem Ferienhaus in Pavas angekommen. Als wir am nächsten Tag durch den kleinen Ort geschlendert sind, konnten wir uns gar nicht vorstellen wie 24 Stunden später hier ein Wettkampf stattfinden wird. Laut Ausschreibung hieß es, dass Freitag 08:00 morgens die Startzeiten veröffentlicht werden. Wie es in Kolumbien nun mal aber so ist, war das nicht der Fall und wir haben den ganzen Tag damit verbracht ständig das Internet zu checken und konnten uns schlussendlich erst am späten Abend ganz aufgeregt die Startliste analysieren.
Der Samstag hat entspannt begonnen, denn Nullzeit war erst 13:00. Das Wettkampfzentrum war fußläufig zu unserer Unterkunft und ganz vorschriftlich auf einem Sportplatz. Sah genauso aus wie gewohnt: Wiese, kleine Bühne, drei/ vier Pavillionzelte und sogar ein OL – Labyrinth aus Flackerband! Imbissverpflegung gab es auch, nur statt Kuchen oder Bratwurst eben Empanadas. Bei der Anmeldung haben wir eine Akkreditierung, Startnummer, Leihchip und Anne und ich ein GPS Sender bekommen. 12:00 sollten sich alle im WKZ treffen, damit wir gemeinsam zum 2,5km entfernten Start gehen. Es war warm und vor allem die äquatornahe Sonne hat sehr gebrannt. Auf dem Weg sind wir an einem Ananasfeld und Bananenpflanzen vorbeigekommen! Nach halber Strecke wurden wir aber aufgehalten, denn es hieß, dass einer der Veranstalter beim Posten setzen von Wespen gestochen wurde und deshalb der Start eine Stunde nach hinten verschoben wird. Später stellte sich heraus, dass der Postensetzer „Jukka“ ein Finne ist, der seit 15 Jahren mit seiner kolumbianischen Frau und Tochter in Bogotá lebt und den Orientierungslauf in Kolumbien unter seine Fittiche genommen hat. Er hat innerhalb von drei Tagen alleine die Karte aktualisiert beziehungsweise aufgenommen und musste manche Posten kurz vor Start selber setzen, weil der eigentliche Postensetzer Jukka´s Vormarkierungen nicht gefunden hat. Gelaufen sind wir in einem offenen Pinienwald, der recht europäisch aussah. Die Strecke (bei Anne und mir D21E) war relativ einfach und doch auf ihre Art herausfordernd. Denn an einigen Stellen war die Karte ungenau oder ganz und gar falsch. Jukka wollte nämlich ursprünglich nur zum Aktualisieren der Karte und Vormarkierungen setzen ein paar Tage früher anreisen, hat dann aber gemerkt, dass fast nichts stimmt und er sehr viel ändern musste, aber nicht alles geschafft hat. Die Stimmung am Ziel war toll. Alle haben angefeuert, einem gratuliert und jeder hat einen kleinen Snack und eine Wasserflasche bekommen. Ganz viele haben uns angesprochen und uns gefragt, wie wir drei Deutsche denn bei einem kleinen, unbekannten OL in Kolumbien landen.
Die Nullzeit für die Langdistanz am Sonntag war früher, der gemeinsame Abmarsch zum Start war schon 07:00. In der Damen Elite hatten wir 6km Luftlinie und 300 Höhenmeter. Teile der Karte haben sich mit der vom Vortag überschnitten. Es gab also wieder schönen offenen Pinien- und Eukalyptuswald und zusätzlich noch ein wenig Kahlschlag. Zweimal bin ich durch dunkelgrüne Täler und habe mich wie auf einem Survivaltrip im Dschungel gefühlt. Total dicht bewachsen, Lianen und Sportschuhe ohne Profil mit denen ich die sausteile Böschung hochgekraxelt musste. Da ich nun um die ungenaue Karte Bescheid wusste, habe ich sehr sicher mit mehreren Attackpoints orientiert, dadurch keine Fehler gemacht und hatte super viel Spaß. Vor allem weil man bei einer Langdistanz ja mehr Strecke zurück legt als bei einer Mittel und so noch mehr den Wald genießen kann. Im Ziel konnte man auf einer Leinwand per Live – GPS die restlichen Läufer verfolgen und Anne dabei zuschauen, wie die Arme in einen komplett unaufgenommenen Teil der Karte abgedriftet ist und durch fehlende Anhaltspunkte auch ein wenig gebraucht hat, dort herauszukommen. Leider mussten Mama und ich schon vor der Siegerehrung fahren. Als wir im Bus saßen, habe ich mich genauso erfüllt und wehmütig gefühlt, wie nach einem OL Wochenende in Deutschland. Irgendwie toll, ein Hobby für das man so brennt auf der anderen Seite der Erde ausüben zu können.
Der Orientierungslauf in Kolumbien steckt noch in seinen Kinderschuhen. Wettkämpfe finden nicht mehr als viermal jährlich statt, Vereine gibt es vielleicht zehn und die wenigsten bieten regelmäßiges Training an. Die meisten kolumbianischen OLer kommen aus der Leichtathlethik oder dem Trailrunning und haben durch ihre beschränkten Trainingsmöglichkeiten ein im Vergleich zu uns eher niedriges O – Niveau. Wenn man sich vorstellt, wie für nur 70 Teilnehmer ein so großer Aufwand betrieben wurde dieses Wochenende auf die Beine zu stellen, ist das schon sehr beeindruckend. Durch die geringe Teilnehmerzahl gab es Altersklassen nur bis D/H 35, Offen und alle Kinder bis D/H 16 mussten mit einer erwachsenen Begleitperson rennen. In der Hauptdamenklasse sind mit Anne und mir 10 Läuferinnen gestartet. Die Mitteldistanz hatte Anne gewonnen, ich bin vierte geworden und am Sonntag habe ich die Langdistanz für mich entschieden und Anne ist auf den fünften Platz gelaufen. Mama ist in der offenen Kategorie zweite und dritte geworden und hat dafür sogar zwei Medaillen gewonnen! Anne und ich haben leider für unsere beiden Einzelsiege keine Medaillen, sondern nur Erdnussmuss bekommen, weil wir kein Mitglied in einem kolumbianischen Verein waren. Ich habe für meinen Gesamtsieg einen sehr, sehr hässlichen, riesigen Pokal erhalten, der aber zwei Tage später im Müll gelandet ist.









